Dieses Wissen bekommen wir von den spannenden Menschen, die uns im Alltag bereichern. Heute mit Michael Hauenstein, Leiter Marketing und Verkauf von swissconnect, dem schnellsten und nachhaltigsten Kurierdienst der Schweiz, der professionelle Velokuriere aus den 23 grössten Schweizer Städten miteinander verbindet. Wie sich der Lockdown auf den Kurierservice ausgewirkt hat, welche Regionen velokuriermässig die Nase vorn haben und was der aussergewöhnlichste Corona-Transport war.
Interview: Micha Eicher, scharfsinn.ch
Was hat die Corona-Krise mit Ihnen gemacht?
Ich persönlich bin jetzt seit Mitte März im Homeoffice.
Wie war das?
Es war gar kein Problem, wir haben von einem Tag auf den anderen umgestellt. Swissconnect ist eh sehr flexibel, ich arbeite in meinem Job viel unterwegs im Zug und Homeoffice war für uns vorher schon möglich.
Wie haben Sie den Lockdown erlebt?
In Wellen. Die erste Welle kam am 16. März, als viele auf Homeoffice umgestellt haben. Da war vieles unklar für ganze Schweiz, wir hatten viele Lieferungen von den Firmen in die heimischen Büros. Dann sind die Aufträge leicht eingebrochen. Aber wir haben uns sehr gut gehalten. Dann in der zweiten Welle sind gewisse Restaurants auf die lokalen Velokuriere zugekommen und interessierten sich für Take-away-Lieferungen, ein Angebot, das viele von ihnen vorher gar nicht führten. Wir hatten auch andere interessante Anfragen von Unternehmen, die neue Lösungen suchten. Und jetzt spürt man eine nächste Welle: Es zieht wieder an.
Gab es im Ausnahmezustand regionale Unterschiede?
Ja, es gibt Städte, wo die Velokuriere aktuell mehr zu tun haben. So in St. Gallen und Lausanne. Dort fördern die Städte den nachhaltigen Velokurierservice. Die Stadt Lausanne zum Beispiel bezahlt etwas an den Transport, um die Einkäufe für ältere Leute zu ermöglichen. Da haben die Velokuriere den Einkauf erledigt und die Lebensmittel vor die Türe geliefert.
Das war nur dort so?
In anderen Städten gibt es ähnliche Angebote. In St. Gallen gibt es eine Standortförderung, die den Detailhandel unterstützt, ihre Produkte ökologisch auszuliefern. Das war ein geplantes Projekt für Sommer das sie jetzt kurzerhand vorgezogen haben. Für einen Grossteil der Strecken macht es in einer Stadt einfach keinen Sinn, per Auto zu liefern.
Wo sind die Aufträge mit der Corona-Krise eingebrochen?
In Genf haben wir merklich weniger Sendungen. Dort gibt es viele Botschaften, die geschlossen waren. Das Versenden von Visa ist ein viel genutzter Service, den wir anbieten. Zum anderen liefern wir auch viele medizinische Proben direkt vom Arzt ins Labor – in Genf spürt man wohl die besonders hohe Dichte an Arztpraxen, die ebenfalls mehrheitlich geschlossen waren.
Blumen oder Pizza: In welchen Bereichen hattet ihr mehr Aufträge?
(Lacht) Stimmt, Velokuriere haben wohl das Image, dass sie vor allem Pizza liefern. Das stimmt aber überhaupt nicht. Wir liefern hauptsächlich für Firmen, also im Business-to-Business-Bereich: Das sind Laborproben, Ersatzteile, Visa oder Geschäftsunterlagen. Wenn man pauschalisieren möchte, kann man sagen, dass dieser leicht abgenommen hat und die Lieferungen an Endkunden , also im Business to Customer Bereich, leicht zugenommen haben.
Welches war die spannendste Corona-Lieferung?
Zu Beginn des Lockdowns haben wir ganze Büroeinrichtungen transportiert: Vom Laptop, zum Bildschirm, der Tastatur und allen Unterlagen. Gewisse Firmen liessen ihren Mitarbeitenden den gesamten Arbeitsplatz nach Hause liefern. Das sind schon eher ungewohnte Lieferobjekte.
Wie konntet ihr Abstände einhalten?
Als Kurier ist man den ganzen Tag über mehr oder weniger allein unterwegs, die Übergabepunkte sind kurz, da kann man die zwei bis drei Meter Distanz gut einhalten. Unserem schweizweiten Netzwerk sind 700 Kuriere angeschlossen, 500 per Velo und 200 per Auto. Die Übergabepunkte sind kurz, da kann man die zwei bis drei Meter gut einhalten. Wo möglich, haben wir beim Übergeben von Lieferungen auf persönliche Kontakte verzichtet und die Sendung deponiert. Es gab auch zahlreiche Sonderwünsche unserer Kunden, die wir berücksichtigt haben. Unsere Mitarbeitenden sind vereinzelt mit Mundschutz gefahren, haben Desinfektionsmittel dabei und es gab auch solche, die gar nicht gefahren sind, das haben wir respektiert. Auf eine Bezahlung per Bargeld und auf eine Unterschrift im Kurier-App auf der Virenschleuder Mobilephone haben wir verzichtet.
Was geschieht aktuell?
Jetzt, wo das Ende des Lockdowns in Sicht ist, verzeichnen auch wir wieder mehr Aufträge von Firmen und Arztpraxen, welche schliessen mussten. Das hat schon was ausgelöst. Jetzt gehts darum, dass sich die Unternehmen wieder vorbereiten, schrittweise zu öffnen.
Wagen Sie ein Corona-Fazit?
Ich glaube, die Menschen haben gemerkt, dass die Logistik ebenso wichtig ist wie die Strom- und Abwasserversorgung. Sie funktioniert sonst immer etwas im Hintergrund. Doch jetzt ist einiges gegangen in den Köpfen der Leute. Irgendwie musste die Ware ja zu ihnen nach Hause kommen. Ich denke, man nimmt nun die gesamte Logistikbranche vermehrt positiv wahr. Auch unser ökologisches Engagement, unsere schnellen und unkomplizierten Lieferungen. Das ist gut fürs Image. Und: Wir haben absolut gleich weiterfunktioniert. Auch als die SBB ihren Fahrplan runtergefahren hat, konnten wir weiterhin liefern. Mit unserem einzigartigen Transportsystem setzen wir ja zwischen den Städten auf die schnellste und pünktlichste Verbindung und das ist nicht die Strasse sondern die Schiene. Ich würde sagen, wir gehen gestärkt aus der Krise hervor. Wir sind digital und arbeitstechnisch absolut fortschrittlich aufgestellt und unsere Prozesse funktionieren, das spornt an.
Was macht man als Leiter Marketing und Verkauf wenn man nicht grad im Homeoffice ist?
Ich bin sehr häufig bei unseren Kunden in der gesamten Schweiz. Mein Job ist es, unsere Dienstleistungen für Firmenkunden zu verkaufen, zu bewerben und bekannt zu machen. Viele wissen nicht, dass die lokalen Velokuriere schweizweit liefern.
Haben Sie darum Marktforschung gemacht?
Ja, wir wollten Fakten schaffen und herausfinden, worauf wir bei der Vermarktung unsere Dienstleitungen achten sollten. Die meisten Kunden kommen zu uns, weil sie sagen, wir sind schneller, dann merken sie, dass wir auch ökologischer sind. Und sympathisch. Unser positives Image strahlt auch auf das Unternehmen ab, die uns den Auftrag gegeben hat, , da der Kurier direkten Kontakt zum Endkunden hat und einen wichtigen Teil innerhalb des Kundenerlebnisses einnimmt. Die Umfrage, die wir mit blue eyes marketing gemacht haben, zeigt, dass wir das mehr hervorheben müssen.
Was ist die überraschendste Erkenntnis aus der Forschung?
Dass unsere Kunden gar nicht wussten, wie unser multimodales Transportsystem funktioniert. Ob Velo, Cargovelo, Zug, LkW oder Auto: Wir nehmen immer das schnellste Transportmittel. Wir holen in der ganzen Schweiz in weniger als einer Stunde nach Auftragserteilung ab. Vielen war nicht klar, dass wir wo möglich aufs Auto verzichten und dass sie selbst dadurch Unmengen CO2 einsparen.
Was schätzen Sie an der Beratung von blue eyes marketing?
Dass da kein Fachchinesisch kommt. Markus Britschgi hat bei der Schlusspräsentation vor der Geschäftsleitung alles Wichtige auf den Punkt gebracht und auf uns umgemünzt, was wir konkret tun können. Aufbereitet mit Statistik, runtergebrochen auf einen Satz. Damit sind wir supergut gefahren.
Wagen Sie einen Blick in die Zukunft: Wird sich nach Corona was ändern?
Ich muss ehrlich sagen, dass wir schon vor Corona gespürt haben, dass die Menschen sich um die Umwelt und Ökologie mehr Gedanken machen. Man will für Transport einer kleiner Laborprobe nicht länger ein zwei Tonnen schweres Auto nutzen. Das wird noch weiter zunehmen. Wir haben nun gesehen, wie schnell sich die Natur erholt. Ich hoffe, dass sich das auch auf den Transport auswirkt.
Wie leidenschaftlich sind Sie selber mit dem Velo unterwegs?
Ich war nie Velokurier, fahre aber täglich mit dem Velo zur Arbeit. Seit dem Homeoffice entfällt das natürlich… Ebenso mein Crossfit-Training. Dafür gehe ich mehr im Wald joggen.
blue eyes marketing hat über 800 aktive Kunden von Kurierdienstleistern aus der gesamten Schweiz zum Image der einzelnen Kurierarten befragt. Die repräsentative Umfrage wurde im Herbst 2018 durchgeführt und hat klar gezeigt, dass die Velokuriere das sympathischste Image unter allen Kurieren geniessen.
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